- Dutch Open, 2015 -
Dieren, Niederlande
21.07. - 30.07.

 
Die alten Leiden des jungen S.
 
Was zuletzt geschah
Nach längerer Zeit gibt es einen Turnierbericht! Nicht zuletzt auf Wunsch von Sebastian, der seine Fehler auch kritisch benannt haben möchte. Mal sehen, ob wir dem Manne helfen können. Wir waren Ende Juli am Start bei den Offenen Meisterschaften der Niederlande, den Dutch Open. Da der letzte Bericht hier allerdings vom Turnier in Dünkirchen aus dem März stammt, vorab kurz, was seitdem geschah, mit Fokus auf Sebastian, da ich manchmal nur als „Sekundant“ mitfuhr:

Seit dem Turnier in Frankreich gab es drei Turnieraktivitäten, hier konnte Sebastian nicht an alte Leistungen anknüpfen. Zur Erinnerung: Den DWZ-Höchststand erreichte er nach den Turnieren in Italien und Stuttgart 2011 mit 2243. Danach ging es in den 2100er Bereich, aber die 2200 wurden immer mal wieder übersprungen. 2014 lief es, beginnend mit dem starken Turnier in Hoogeveen, wieder besser. Es gab dreimal hintereinander eine 2300er Turnierleistung und um ein Haar den Landesmeistertitel Anfang 2015 (am Ende blieb immerhin der Vize). Der Nordwest-Cup war ein Nullsummenspiel und dann kam Dünkirchen mit etwas Verlust. Der eigentliche Abschwung begann also erst da.

Es folgten, wie gesagt, drei Turniere: Beim Ried-Open in Einhausen (zwischen Darmstadt und Mannheim) gab es eine Performance von unter 2000. Dies war auch mein eigener bisher letzter Auftritt, die Leistung war mit einer niedrigen 1800 auch für mich enttäuschend. Es gab bei diesem Turnier allerdings ein denkwürdiges Duell. Der frühere Holthuser Dauermeister Hermann Koenen, der ganz in der Nähe wohnt, spielte mit, traf auf Sebastian und - gewann mit Schwarz. „Koenen, der Barbar“ schlug zu, hier diese Partie nach der Eröffnungsphase, ich habe ein paar kurze Kommentare eingefügt. Sie zeigt das dynamische Spiel von Hermann genauso anschaulich, wie die Krise von Sebastian:
 

Partie Sebastian Müer - Hermann Koenen 0:1
Eine weitere Heldentat der früheren Nr. 1 von Holthusen aus den Ried-Turnieren findet sich unter Koenen - FM Dausch

Hier ein paar Fotos aus Ried. Hier und in der Folge kann durch anklicken vergrößert werden.
 

Sebastian beobachtet die Partie von Hermann in Ried.
Die Spionage erwies sich allerdiings als unzureichend.
 Mein Outfit brachte Glück: Mainz wurde an dem Tag 2:1
besiegt und der Klassenerhalt auch souverän eingefahren.

Wenig besser lief es danach für Sebastian im niederländischen Hilversum bei einem Wochenendturnier. Die Leistung hier war im mittleren 2000er Bereich. Zur Vorbereitung auf die Dutch Open spielte Sebastian kurz vorher noch das Quickstep Turnier in Bremen Mitte Juli, hier verspielte er in zwei Partien Möglichkeiten und gewann lediglich die dritte Partie. Vermehrt unterliefen im auch größere Fehler wie ein Qualitätsverlust in der zweiten Partie gegen das Bremer Talent David Kardoeus durch eine Springergabel. Auch hier gab es DWZ-Verluste. Widmen wir uns nun aber dem aktuellen Geschehen aus den Niederlanden!

Dutch Open

Die Dutch Open sollten also die Wende bringen. Parallel fand auch wieder das Czech Open in Pardubice statt, aber wir haben dieses so oft besucht, dass wir diesmal dachten, warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute so Nahe liegt. Das Turnier fand in Dieren statt, was in der Nähe von Arnheim liegt. Da die Entfernung von Ostfriesland aus zwei Autostunden beträgt, buchten wir in der Nähe eine Ferienwohnung, zum Pendeln wäre es zu weit gewesen. Der Spielplan war entspannt: Zwar neun Runden, aber nur eine Runde pro Tag, dazu nach fünf Runden sogar ein Ruhetag. Ein echter Luxus. Bedenkzeit war „Fischer kurz“: 90 min/40 Züge + 30 min und einem Inkrement von 30 Sekunden.

Teilnehmen durfte man nur mit einer Zahl ab 2100 (als Jugendspieler ab 2000), aber für die Anderen gab es zahlreiche Nebenturniere. Unsere Unterkunft lag 15 Fahrminuten entfernt in Loenen. Eigentlich unproblematisch, aber bei den Fahrkünsten der Niederländer durchaus immer mal wieder eine Herausforderung. Das Wetter war nach ein paar sonnigen Tagen eher schlecht, und der Regen nahm irgendwann biblische Ausmaße an. Aber wir ließen Noah einen Arche-Typen sein und wollten den Kopf im Turnier über Wasser halten.
 

Das Lokal, eigentlich eine Turnhalle, von außen.
Und von innen. Noch war alles leer.

Auftakt (Runden 1-3)

Sebastian war noch so gerade in der oberen Hälfte dieses Turnieres gesetzt. Topgesetzte waren heuer übrigens die GM L’Ami und Reindermann. Vorne war das Turnier in der Breite nicht so stark besetzt - für ein Turnier mit 2500 EUR für Platz 1. Der „Freund“ konnte zwar Reindermann besiegen, aber Letzterer gewann am Ende das Turnier. Auftaktgegner von Sebastian war mit Weiß ein junger Niederländer mit 2056 ELO (Sebastian hat derzeit 2210). Unangenehm, gegen solche – naja, Talente – zu spielen. Immerhin war der Gegner auch schon 14, also ein junger Jan Timman war es zumindest mal nicht.
 

Der Saal füllte sich . 
Bast gegen Kokje zum Auftakt. Würde es kinderleicht?

Bast wählte eine für ihn ungewöhnliche Eröffnung, die er aber gut kannte. Vielleicht jedoch hätte er hier, gerade mit Weiß gegen einen schwächeren Gegner, seinen Standardaufbau wählen sollen. In seiner Eröffnungswahl setzt man hauptsächlich auf Königsangriff, und nachdem dieser nicht durchging, verlor Sebastian am Damenflügel eine Qualität. Zweifellos stand er danach auf Verlust. Bis dato konnte sich der Niederländer an Eröffnungsideen entlang hangeln, es folgten nun jedoch mehrere sehr schwache Züge und Sebastian hatte zumindest wieder Ausgleich.

Im Endspiel verfügte unser Kämpfer über Dame gegen zwei Türme und einen Mehrbauern. Die Perspektiven waren für ihn etwas besser, auch wenn es lange rechnerischer Ausgleich war. In der Verteidigung spielte Schwarz wieder ein paar sehr mysteriöse Züge und verfeuerte wohl auch ein mögliches Remis und Sebastian konnte am Königsflügel mit zwei verbundenen Freibauern, unterstützt vom König, einmarschieren und den Punkt reklamieren.

Es folgte in Runde zwei ein Gegner mit bereits 2363 ELO. Und diese Partie fand an einem der Live-Bretter statt. Davon gab es immerhin zehn, was bei insgesamt 29 Brettern im Open schon ganz gut war. Leider scheint Sebastian mit Live-Brettern kein Glück zu haben! Nachdem ich ihn im Spiellokal, einer großen Turnhalle, abgeliefert hatte, fuhr ich zur Unterkunft zurück und machte es mir mit einem Kaffee gerade vor dem Laptop gemütlich, wo schnell die folgende Stellung erreicht wurde:
 

Beukema - Müer
Bast hier mit Schwarz am Zug

Der Gegner wählte eine für ihn ungewöhnliche Eröffnung, was die lange Vorbereitung in der Nacht zuvor obsolet machte, und Sebastian improvisierte mit einer von mir mal lediglich erwähnten Idee. Er hatte ein paar Probleme, in der Folge alles zu berechnen, erreichte aber schließlich die in etwa ausgeglichene Diagrammstellung. Soeben hatte Weiß auf d4 genommen und Bast brütete. Als die Übertragung aber das Ergebnis von Sebastians Überlegungen, Dxd4??, anzeigte, prustete ich meinen Dallmayr a la Dolce Gusto durch das Zimmer und sprang, ohne die gegnerische Antwort abzuwarten, wieder ins Auto, um den Unglücksraben abzuholen. Der Gegner dort hatte auch natürlich in der Zwischenzeit Dxf7+ gefunden.
 

Bast gegen IM Goudriaan, Runde drei
Ein Bild aus Runde vier

Die nächste Runde brachte eine schlechte Nachricht: Wieder Schwarz! Die anfängliche Hoffnung, fünfmal Weiß zu haben, war also wahrscheinlich gestorben. Gegner war IM Goudriaan, 2376, also ein schwerer Brocken. Diese Partie wurde von beiden Seiten lange Zeit sehr gut geführt. Der IM spielte sehr streng, aber Sebastian blieb auf Augenhöhe. Jedoch war diese Partie ein Beispiel dafür, dass Sebastian mit seiner Hauptantwort gegen 1. d4 nicht hundertprozentig zufrieden sein kann, zumindest gegen solche Kaliber: Man kann sehr lange sehr genau spielen und steht irgendwann trotzdem vor Problemen.

Positionell stand Weiß nachher richtig gut, spielte aber dann nicht immer das Beste, jedoch war es schwer für Sebastian. Schließlich überschritt er trotz Inkrement die Zeit, wobei seine Stellung zu dem Zeitpunkt wohl eh in der Praxis nicht mehr zu halten gewesen war. 1,0/3 war sicherlich nicht der gewünschte Start, aber die Niederlagen waren jeweils mit Schwarz gegen starke Gegner. Nunmehr musste aber was kommen, und es kam auch.
 

Idyllisches im Garten unseres Ferienhauses.
Die Ponys wirkten allerdings sehr angriffslustig.
Und der Klapperstorch kam. Wir zählten bis zu fünf Stück.
Nach dem Regen wirkten sie aber eher wie begossene Pudel.

Der Rächer der Seeschlange (Runden 4 und 5)

Gegen 2144 mit Weiß griff Bast erneut zum für ihn ungewöhnlichen 1. e4, da er den Gegner mit einer Vorbereitung des indischen GM Negi behandeln wollte. Dieser hat ein phantastisches Werk zu 1. e4 vorgelegt, seine Vorschläge dort werden vom Computer zunächst verworfen und erst sehr viel später, tief in den Varianten, als stark erkannt. Wer weiß, was die indische Chip-Industrie da am Start hat... Im Vergleich zu Negi wirkt z.B. Boris Awrukh wie ein Variantenpanscher. Eine weichenstellende Partie im Turnier, denn diese sollte anzeigen, wo es hingehen würde.

Bislang im Turnier hatte Bast in der Vorbereitung nicht so ins Schwarze getroffen, aber diesmal lief es! Zumal Sebastian an diesem Tage Geburtstag feierte, und da hat er in der Vergangenheit meiner Erinnerung nach immer gut ausgesehen. Der Gegner geriet in die tödlichen Fänge der heimischen Analysierküche, was man auch deutlich auf der Uhr sah. Köche, wir brauchen Köche!* Sebastians Stellung war zu dem Zeitpunkt, an dem er anfing, selber zu spielen, sehr gut, aber es gab noch Fallstricke und der Gegner grub auch einiges aus, zumal Schwarz materiell mit drei Bauern für eine Qualität klar vorne lag. Sein Problem: Der nicht entwickelte Damenflügel. Sebastian führte die Partie souverän über die Untiefen und erzielte den ganzen Punkt.
 

Bast in seiner Viertrundenpartie.
Steiger' dich rein!

Blitzintermezzo

Am Abend fand dann ein Blitzturnier für jedermann statt. Hier wurde in mehreren Gruppen und Runden gespielt und am Ende gab es Finalgruppen. Sebastian verpasste die finale Topgruppe nur um einen halben Punkt, was unnötig war, und landete in Gruppe zwei (von zehn). Ich kam in die Schlußgruppe drei, allerdings mit Glück, zwischendurch hatte man mich fälschlicherweise einmal schwächeren Gegnern zugeteilt. Aber sei’s drum!
 

IM Hans Böhm eröffnet gegen mich mit d4.
Nach einem Bock von ihm hielt ich noch gerade Remis.
Hier Bast in einer Zwischenrunde.
Gegen Böhm übrigens gelangen ihm 1,5/2.

Auch mir blieb später eine Peinlichkeit nicht erspart:
 

Am Abend blitzte Bast
gegen mich ohne Dame...
... und anscheinend auch ohne
Damenflügel und setzte Matt.

Zurück zum Hauptturnier: Runde fünf am Folgtetag rief Erinnerungen wach an eine bittere Niederlage meinerseits. 2012 verlor ich meine bislang einzige Seeschlange (Partie über 100 Züge), Gegner war der junge Niederländer Lentjes. „Bitter“ muss ich allerdings relativieren, „ärgerlich“ wäre passender. Eben jener Lentjes hatte die letzten drei Jahre dazu genutzt, sich von 1940 auf 2116 ELO hochzupushen und war nun Gegner von Sebastian.

Es wurde Französisch gesprochen, das dritte Mal bis Dato (und das Letzte). Lentjes verlieh der Eröffnung schnell eigenen Charakter, auch wenn sein Konzept etwas langsam zu sein schien. Sebastian kreierte ein eigenes Rezept, aber das war verschreibungspflichtig: Lentjes hätte mit einem Qualitätsopfer gutes Spiel bekommen können. Nachdem er dies ausließ, ging Sebastians Plan völlig auf: Er gab selber die Qualität. Der Gegner bezahlte für das Material wie erhofft Apothekerpreise.

In der Folge gewann Sebastian sein Material zurück und hatte starke Kontrolle im Zentrum. Seinen König führte er aus der Gefahrenzone und brachte letztlich mit einer starken Leistung die Partie zu einem vollen Punkt. 3,0/5 und 10 Punkte ELO-Plus zu diesem Zeitpunkt sahen gut aus. Aber natürlich gab es auch den ein oder anderen kritischen Moment zu überstehen, denken wir vor allem an die Auftaktpartie.

Ruhetag

Ein Ruhetag ist ungewöhnlich, aber er gibt die Möglichkeit, seine Energiereserven aufzutanken. Manche allerdings müssen auch überschüssige Energie loswerden: In einem der vielen, teilweise antiquarischen Bücher, die ich im Turniersaal erwarb, berichtete Karpow davon, dass Kortschnoi sich früher Nachts an eine Heizungsbatterie anschloss, um sich zu entladen, er hatte einfach zu viel Energie (bzw. wäre elektrisch geladen). Ob man Tolja glauben darf? Viktor, dem Schrecklichen, wäre es zumindest zuzutrauen.**

Wir entschieden uns aber gegen entsprechende Experimente und machten eine Tour in den Freizeitpark Slagharen, der nur eine knappe Autostunde von unserer Unterkunft entfernt lag. Es war nett, auch wenn der Park eher klein war und die Fahrgeschäfte mehr das jüngere Publikum ansprachen - für den echten Thrill muss man wohl schon größere Parks aufsuchen. Wir hatten auch keine Angst vor den Hauptattraktionen, dem ELO Freefall-Tower und der DWZ Achterbahn. Außerdem gelang Sebastian noch ein Fischzug:
 

Auf Grund seiner bis Dato 100%-Ausbeute als Anziehender
hatte sich Bast den Spitznamen "der weiße Hai" erworben.
Für die weitere Jagd im Turnier hätten wir aber ein größeres
Boot gebraucht. Ich ließ es mir dennoch schmecken.

In der Hitze der Schlacht (Runden 6 und 7)

Runde sechs brachte wieder eine Schlüsselpartie: Weiß gegen einen stärkeren Gegner. Die beiden letzten Punkte waren zwar eine wichtige Errungenschaft, aber sie waren gegen schwächere Gegner nach einem eher mäßigen Start auch notwendig gewesen. Nun wartete ein etwas stärkerer Gegner, ein 18jähriger Niederländer mit 2314. Gefährlich, natürlich, aber hier musste was geholt werden.
Es war erneut ein Live-Brett, was nichts Gutes erahnen ließ. So war ich auch diesmal mit meinem Kaffee etwas vorsichtiger. Nach in etwa ausgeglichener Eröffnung musste ich aber folgendes mitansehen:
 

Müer - Vereggen
Sebastian am Zug

Weiß hat Druck am Damenflügel, einen starken Läufer und ist besser entwickelt. Schwarz hat dafür gute Aussichten für seinen Springer und er kann versuchen, Spiel am Königsflügel zu generieren, so liegt z.B. f4 in der Luft. Hier nun kann Sebastian vielleicht b5 spielen, was die Diagonale seines Läufers verlängert, und alles scheint in Ordnung, aber er wollte den schwarzen Plan vereiteln und griff selber zu f4. Das kostet wegen des Damenschachs auf b6 aber den b-Bauern. Dennoch ließ ich die Autoschlüssel erstmal noch liegen, Sebastian war auch nicht zu entmutigen und kämpfte sich wieder heran, bis dann folgende Stellung erreicht wurde:
 

Müer - Vereggen
Später am Tage

Hier führt nunmehr De8 wohl zum Remis, jedenfalls konnte er nach Ta8 wenig später aufgeben. Das war bitter, aber auch die Zeitnot war hier wohl schon etwas im Spiel. Schlimmer war sicherlich das Versehen aus dem ersten Diagramm dieser Partie. Mit dieser zweiten Live-Partie waren also auch keine Einschaltquoten zu erzielen.

Sebastians Gegner in Runde sieben war sein erster (und einziger), der vor den 90er Jahren geboren wurde – sonst war Bast also jeweils der ältere Spieler. Das sollte allerdings kein Nachteil sein, denn in seinem Alter steht er kurz vor dem schachlichen Zenit, und sollte den jüngeren Gegnern etwas voraus sein. Der 2119er in Runde sieben war bereits Mitte 50 und ein ziemlicher Haudrauf, was seine alten Partien zeigten.

Erneut traf Sebastian mit der Vorbereitung nicht ins Schwarze, schließlich spielten dann beide Gegner auf für sie unbekanntem Terrain - es wurde Italienisch gesprochen. Hier wäre Sebastian vielleicht wirklich gut beraten gewesen, seinen Standard zu spielen, wahrscheinlich wäre eine seiner bevorzugten Varianten auf das Brett gekommen. In der Partie jedenfalls hatte Weiß in der Folge immer etwas Vorteil. Ein gegnerisches Qualitätsopfer unterschätzte Bast und wehrte es nicht ab, aber danach war der Gegner auf dem Gewinnweg. Dieser blieb jedoch nicht sauber und Sebastian hatte nochmal eine Ausgleichschance direkt nach der Zeitkontrolle. Aber die Lage war wohl zu kompliziert und er fand es nicht.

Das Finale (Runden 8 und 9)

Nach der Doppelnull war schon klar, dass das Turnier kein Erfolg werden würde. Mit Weiß aber sollte in der vorletzten Runde ein Sieg her gegen eine Inderin mit lediglich 2056 Punkten (aber WIM…). Diesmal spielte Sebastian seine eigene Eröffnung, aber er räumte dann schnell das Zentrum leer, was eigentlich nicht sein Stil ist. Leicht besseres Spiel für ihn, aber leider entdeckte er wieder ein Phantom:

Müer - Parnali
Weiß am Abzug

Er wollte hier den gegnerischen Springer vertreiben, um auf die vorletzte Reihe einzudringen, wozu er seine Bauernstruktur mit e4 schwächte. Dies hätte lediglich die genannte Taktik gerechtfertigt, aber ein Eindringen war dann doch nicht möglich, denn Sb6 deckt d7… Schwer zu erklären, aber es war vermutlich auch die Enttäuschung über die letzten Partien zusammen mit dem Eindruck, bereits einen entscheidenden Vorteil in der Diagrammstellung zu haben.

Bast verwaltete die halbe Ruine dann aber doch noch ganz gut und am Ende gab es dann, trotz eines Minusbauern, eine Zugwiederholung. Das Remis konnte ihn natürlich keinesfalls zufriedenstellen, zumal er eine durchaus angenehme Stellung hatte, bis er seine Struktur schwächte.
 

Zwei mal am Brett:
Hier gegen Vereggen in Runde sechs...
... und gegen Parnali in Runde acht.
Zwei eher enttäuschende Runden.

So blieb noch eine Runde zu spielen. Der Gegner hatte 2117 und Sebastian tatsächlich seine fünfte Schwarzpartie. Und erneut gab es eine Überraschung: Weiß begann mit 1. d4, wobei er aber laut der Datenbank sonst immer mit dem Doppelschritt des Königsbauern eröffnete. Vielleicht hatte er gesehen, was Sebastian auf d4 im Turnier machte und sich etwas angeschaut.
Grundsätzlich ist es aber kritisch, mit Weiß von seinem eigenen Repertoire abzuweichen. Und Sebastian kann viele Eröffnungen spielen. Tatsächlich auch hatte sich der Niederländer die Nacht wohl umsonst um die Ohren geschlagen, wovon Sebastian jedoch auch ein Lied singen kann.

Bast wählte eine Eröffnung, die er sonst quasi nicht spielt, und die hier natürlich hervorragend passte - Holländisch. Das erwischte den Gegner vollständig auf dem falschen Fuß. Beiden Seiten merkte man irgendwie an, dass sie in den Stellungen nicht zu Hause waren, aber vor allem Weiß gingen irgendwann die Pläne aus. Sebastian zog einen Königsangriff auf und Weiß konnte im Zentrum nicht rechtzeitig Gegenspiel organisieren. Irgendwann platzte Weiß und Sebastian konnte die sehr taktische Stellung, die auch einiges an Rechenkapazität forderte, sauber nach Hause spielen. Ein versöhnlicher Abschluß, es war wichtig, das Turnier auf einer positiven Note zu beenden.

Fazit

4,5 Punkte bedeuteten 50% Ausbeute. Die Performance lag knapp unter 2200, was ein paar Punkte Verlust bedeutete (-7 ergab unsere Rechnung). Mit Weiß war er +1, mit Schwarz -1. Normal. In den ersten fünf Runden war alles mehr oder weniger ok. Drei Siege, wenn auch etwas wackelig in der Auftaktpartie und einem kurzen Schreckmoment in Runde fünf, wenn man das so sagen kann. Diese Partie war aber sonst sehr gut geführt, genauso wie der Sieg in Runde vier. Die beiden Niederlagen waren gegen klar stärkere Gegner und jeweils mit Schwarz.

Schlecht waren die Runden sechs und sieben, wobei in Runde sechs wieder ein ziemliches Versehen (Bauerneinsteller) zu registrieren war, der Kampfgeist danach wurde nicht belohnt. In Runde sieben hat der Gegner sehr stark gespielt, einen klaren Einsteller findet man nicht. Einen Überseher, wenn auch nicht mit dramatischen Folgen, gab es in Runde acht und zum Abschluß die vielleicht beste Partie zusammen mit Runde vier.

Insgesamt ein empfehlenswertes Turnier, gute Bedingungen, gute Organisation. Das Verhalten der Schiedsrichter war aber nicht sehr logisch und widersprach sich teilweise: Nachdem ich ein paar Runden lang Fotos gemacht hatte, kam man dann Mitte des Turniers zu mir und händigte mir ein gelbes Leibchen aus, welches jeder tragen müsse, der fotographiere. Davor und danach war es nicht notwendig. Und in Runde acht (!) fiel plötzlich einem Schiedsrichter ein, ich dürfe den abgetrennten Bereich der Bretter des Open nicht betreten, dass wäre nur für die Spieler. Freilich habe ich das in Runde neun wieder ignoriert.

Hier noch der Link zur Turnierseite:

Dutch Open

- frank modder, 03.08.2015
 

Kortschnoi bei der
Übergabe seiner Altbatterien

* "Köche, wir brauchen Köche!" war eine scherzhafte Aussage eines sowjetischen GM, leider habe ich die Quelle nicht parat,
     meine aber, es wäre Awerbach gewesen.

** Die Aussage Karpows findet sich in "Soviet Chess" von Andrew Soltis, Seite 351. Er bezieht sich dort wiederum auf das
     "Buch über das Match" von Karpow. Gemeint war das WM-Match 1978, das Buch kann deshalb nur "Im fernen Baguio"
      gewesen sein. Wer hiervon eine deutsche oder englische Ausgabe kennt, möge mir bitte einen Hinweis geben unter
      frank.modder(at)turm-holthusen.de